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„Team des Jahres“: Cologne Centurions

Es gibt im Sport diese goldene Regel: Siege machen alles gut. Gewinne ein paar Spiele, und plötzlich sind interne Krisen „Charakterbildung“. Gewinne einen Titel, und die schlimmsten Skandale verwandeln sich in „dramatische Hintergrundgeschichten“.

Aber was, wenn du… gar kein Spiel gewinnst?

Willkommen bei den Cologne Centurions, dem Team, das in der European League of Football (ELF) Geschichte geschrieben hat – und nicht auf die Art, die man sich auf einem Championship-Banner wünscht. Null Siege. Zwölf Niederlagen. 69:739 Punkte. Das klingt nicht gerade nach „Team des Jahres“.

12 Spiele. 12 Niederlagen. Und trotzdem 12 Mal auf dem Feld.

Die nackten Zahlen sind brutal und nicht schön zu reden: 69 Punkte erzielt, 739 kassiert. Das ist kein Punktedifferential, das ist ein Tatort. Jedes Spiel war ein Krimi, allerdings einer, bei dem der Täter sofort feststeht und das Opfer schon auf dem Boden liegt.

Die Centurions waren nicht nur Außenseiter – sie waren das, was passiert, wenn man die Definition von „Außenseiter“ nimmt, sie durch den Fleischwolf dreht und dann in der Hölle grillt. Und trotzdem: Woche für Woche liefen sie auf. Und das ist der Punkt. Sie hätten nicht müssen.

Warum war dieses Team so hoffnungslos unterlegen? Nun, es begann damit, dass ein geplanter Mitinhaber kurz vor der Saison kalte Füße bekam – und damit eine mittlere sechsstellige Summe aus dem Budget verschwand. Für eine Franchise in einer aufstrebenden Liga wie der ELF ist das wie ein Torpedo unter der Wasserlinie.

Plötzlich war da ein riesiges Loch im Wirtschaftsplan. Head Coach Javan Lenhardt hatte keine Wahl: Er musste in aller Eile ein Team zusammenkratzen – mit Spielern aus unteren Ligen, günstigen Imports und zwei US-Quarterbacks, die sportlich nicht einmal in die Nähe der Erwartungen kamen.

Und dann wurde es noch schlimmer: Das Geld war so knapp, dass Spieler und Trainer ihr Gehalt nicht pünktlich erhielten. Für einige war das mehr als ein logistisches Problem. Es war existenziell.

Mit solchen Rahmenbedingungen war klar: Köln war kein Contender. Köln war ein Überlebensprojekt.

Vor der Saison wussten alle: Das wird hässlich. Köln hatte keine echte Ownership-Struktur, eine finanzielle Basis, die mehr wackelte als ein Ikea-Tisch mit fehlender Schraube, und einen Kader, der stellenweise nicht mal die Mindestgröße von 35 Spielern erreichte. Ein Team, das mit weniger als 25 Spielern gegen die Raiders Tirol angetreten ist – unter dem offiziellen Minimum. Sie brauchten quasi Tinder für Free Agents. Aber sie standen da – komme was wolle. Zwischen Insolvenzverfahren, ausstehenden Gehältern, fehlendem Versicherungsschutz und einem Co-Owner, der schneller wieder verschwunden war, als du „Kickoff“ sagen konntest, war der größte Gegner der Centurions nicht Rhein Fire oder Frankfurt Galaxy. Es war das eigene Front Office – wenn man das überhaupt so nennen darf.

Und trotzdem: Kein Boykott, kein vorzeitiger Rückzug. Sie sind trotzdem nach Tirol gereist – in einer Geschichte, die so wild ist, dass selbst Hollywood sagen würde: „Zu unrealistisch.“ Raiders-Spieler halfen im Spiel kurzzeitig bei den Special Teams aus. Ein „Feel-Good-Moment“, wenn man völlig vergisst, dass das für eine angebliche Profi-Liga eigentlich ein Desaster ist.

Warum genau sind sie das „Team des Jahres“?

Weil sie durchgehalten haben. Weil sie den Sport über den eigenen Frust gestellt haben. Weil eine Gruppe von Männern – Spieler, Coaches, Volunteers – trotz absoluter Chancenlosigkeit und widrigster Umstände 12 Wochen lang das getan hat, was Profis tun: antreten. Und das verdient Respekt. Mehr Respekt, als es das Scoreboard hergibt.
Die Wahrheit ist: Titel gewinnt jeder. Irgendjemand steht am Ende immer einer ganz oben. Aber eine Saison wie diese – ohne Hoffnung, ohne Ressourcen, ohne alles – durchzuziehen, ohne alles hinzuschmeißen? Das ist selten. Vielleicht sogar einzigartig. Und darauf können die Centurions stolz sein.

Natürlich heißt das nicht, dass wir hier die Liga oder die Owner aus der Verantwortung lassen. Ganz im Gegenteil. Die ELF wollte 16 Teams, koste es, was es wolle. Und Köln war der Preis. Der Umgang der Verantwortlichen insbesondere von der Liga Führung, haben die Fans im Stich gelassen, die Spieler der Lächerlichkeit preisgegeben – ist ein Makel, den kein Championship Game in Stuttgart wegpoliert.
Also ja, Centurions: Ihr seid das Team des Jahres. Nicht, weil ihr die Besten wart. Sondern weil ihr das Schlimmste ertragen habt – und trotzdem immer auf dem Spielfeld gestanden seid.

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