Die große Frage des deutschen Football-Frühlings 2023 war keine taktische. Es ging nicht darum, ob die Chiefs ihre Offensive Line im Draft stärken oder die Eagles ihre Secondary neu aufstellen würden. Es ging darum: Folgt Christoph „Icke“ Dommisch dem NFL-Boom ins neue RTL-Universum?
Die Antwort ist da. Sie lautet: Nein. Kein Icke bei RTL. Kein „Eyyyy, Leuteeee“ zwischen Werbebreaks. Kein Berliner Dialekt, der sich wie ein gut gemeinter Seitenhieb auf jede zu glatte Studiomoderation anfühlt.
Und das ist nicht nur eine Personalentscheidung – es ist fast schon eine Philosophiefrage.
Warum der Wechsel unmöglich ist
Zwei Punkte sprechen gegen einen RTL-Umzug von Dommisch. Erstens: Vertrag. Während einige seiner ehemaligen #ranNFL-Kollegen eher Free Agents waren, hat Icke einen laufenden Contract bei ProSieben. Wer unter Vertrag steht, kann nicht einfach wie ein Wide Receiver auf der Suche nach einem besseren Scheme das Team wechseln.
Zweitens: Markenidentität. Dommisch ist ranNFL. Er ist nicht nur ein Moderator, sondern ein integraler Teil der Marke – ein Netman, der mehr als nur Social-Media-Clips lieferte. Er war das Bindeglied zwischen dem Spiel und der Fan-Community, der Typ, der eine Stat-Grafik so erklärt, dass deine Oma versteht, warum ein 4th-and-1 riskant ist.
RTL hat dagegen klar signalisiert: Man will Football in Deutschland „größer und seriöser“ machen. Ein Icke im Team wäre wie Marshawn Lynch als Pressesprecher des Finanzministeriums – unterhaltsam, aber nicht der Look, den man im Imagefilm haben will.
Die Icke-DNA
Dommischs Karriere klingt fast wie ein NFL-Scout-Report auf einen Undrafted Free Agent, der plötzlich Starter wird:
Herkunft: Brandenburg, Dialekt als Branding.
Werdegang: Radio Fritz, Studium Sportjournalismus, ran-Volontariat.
Breakout-Season: 2015, Start von ranNFL, empfohlen von Frank Buschmann.
USP: Lockerheit, Witz, Authentizität.
Diese Mischung brachte nicht nur Ratings, sondern auch Kultstatus bei jüngeren Fans. Sein Humor wirkte nie aus der Maske geholt, sein Wissen nie abgelesen. In einer Sportmedienwelt, die oft glatt wie ein NFL-Fieldturf ist, war Icke der eine unebene Fleck – und genau deshalb so wertvoll.
Der emotionale Abschied
Nach dem Super Bowl 2023 – Chiefs vs. Eagles – gab es Tränen. Keine inszenierte, sondern diese „Mist, ich kann gerade nicht reden“-Tränen. Er zeigte eine leere Moderationskarte. Sagte fast nichts. Sagte damit alles. Es war ein Moment, den Fans noch in fünf Jahren in Best-of-Clips teilen werden.
Was bleibt
Icke verschwindet nicht. Er bleibt bei ran, aktuell oft bei der NHL, wo er Eishockey-Experten Rick Goldmann und Basti Schwele mit Hintergrundinfos versorgt – und das so, dass selbst Zuschauer, die nicht wissen, was „Power Play“ bedeutet, dranbleiben.
Ob RTL damit langfristig einen Fehler macht? Schwer zu sagen. Seriös kann funktionieren. Aber in einer Sportart, die in Deutschland erst groß werden musste, war Authentizität das Fundament. Und wenige verkörperten diese Authentizität so sehr wie der Mann mit langen Haaren und Berliner Schnauze.
Vielleicht wird die größte Leerstelle in RTLs NFL-Übertragungen nicht die fehlende Analyse sein, sondern das Fehlen dieses einen Satzes: „Eyyyy, liebe Leute, guckt euch das mal an …“
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