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by
Hans Ewald
Die Kansas City Chiefs sind noch lange nicht am Ende – aber ihre Dynastie steht vor einer Übergangsphase. Ob die Chiefs weiterhin als Dynastie gelten, hängt davon ab, wie man den Begriff definiert: mehrere Jahre konstanten Erfolgs, regelmäßige Playoff-Teilnahmen oder mindestens ein Super-Bowl-Gewinn pro Dekade.
Die Kansas City Chiefs stehen an einem Punkt, an dem selbst Andy Reid wahrscheinlich den roten Hoodie ein bisschen fester zuzieht. Fehlerfrei spielen – das ist jetzt die einzige Agenda.
Will KC die Dynastie weiterpolieren und tatsächlich zum neunten Mal in Folge ins AFC Championship Game marschieren, dann reicht „Wir haben Mahomes, wird schon“ dieses Jahr nicht. Nein, dieses Jahr brauchen sie so etwas wie einen Fünf-Spiele-Sprint ohne Stolperer – und dazu ein bisschen Hilfe von Teams, die normalerweise lieber keine Geschenke verteilen.
Die 31:28-Pleite in Dallas hat die Chiefs zurück auf eine Bilanz von 6-6 gedrückt – exakt 50 Prozent, was für Patrick Mahomes ungefähr so ungewohnt ist wie ein Cheeseburger ohne Käse. Und das Problem wird größer: Sie haben gegen alle drei 7-4-Teams verloren, die aktuell die Wildcard-Plätze blockieren – Chargers, Jaguars, Bills. Dazu stehen die Texans (6-5) und Steelers (6-5) auch noch vor ihnen.
Die letzten fünf Spiele der Kansas City Chiefs lesen sich wie ein NFL-Buffet, bei dem du nie genau weißt, ob du den Nachtisch bekommst oder dich an der Hauptspeise verschluckst: zwei Heimspiele gegen Houston und die Chargers (ja, genau die Chargers, die KC zum Auftakt in Brasilien ausgetanzt haben), dazu ein Trip nach Tennessee, wieder Heim gegen Denver – und zum Schluss Vegas, wo immer irgendwas Seltsames passiert.
Das Gute: Die drei dicksten Brocken kommen im Arrowhead vorbei, und dort stehen die Chiefs bei 5:1. Das Stadion ist also immer noch der Football-Äquivalent einer Festung mit angeschlossener Lärmanlage.
Patrick Mahomes drückte es nach dem Motto „alles oder nichts“ aus:
„Wir müssen jetzt einfach jedes Spiel gewinnen. Ich hoffe, das reicht.“
Man hört den Subtext fast: „Bitte andere Teams, verliert ein bisschen – nur ein kleines Bisschen.“
Die Aufgabe wird groß. Die Offense war zuletzt so konstant wie ein Wetterbericht im April, aber gegen Dallas sah das Ganze immerhin wieder nach Chiefs-Football aus – vier Touchdowns, Tempo, Rhythmus, ein bisschen Mahomes-Magie.
Dafür stolperte Steve Spagnuolos Defense durch das Spiel und ließ 457 Yards und 31 Punkte zu. Kurz gesagt: In der Crunch-Time müssen die Chiefs beim Tackling, bei den Assignments und beim Passrush das Niveau wiederfinden, das sie zu Saisonbeginn ausgezeichnet hat.
Die Chiefs-Defense ist gut – aber eben nicht Spagnuolo-gut.
Und das ist kein Drama, es ist einfach die Realität. In diesem Team gibt es ein paar Baustellen, die im Dezember plötzlich aussehen wie dringende TÜV-Termine. Die Defensive Backs gehören dabei eigentlich noch zu den stabileren Teilen – aber sie hängen an einem Pass Rush, der eher nach „solide bemüht“ als nach „Quarterback-Terror“ aussieht.
Die Secondary wird überstrapaziert. Trent McDuffie ist ein fantastischer Cornerback – technisch sauber, beweglich, Football-IQ wie ein Harvard-Professor im Nickel-Set. Aber: Mit 1,80 m und knapp 88 kg ist er nicht gerade der Typ, der physisch dominante Receiver verschlingt.
Gegen CeeDee Lamb – 7,6 Zentimeter größer und deutlich massiger – bedeutet das: Entweder du gewinnst das Duell über Präzision oder du wirst in den Stat-Sheet eingraviert. Und leider war letzteres der Fall: sieben Catches, 112 Yards, ein Touchdown.
Die Chiefs sind müde
Nicht schlecht. Nicht gebrochen. Nicht „der Anfang vom Ende“. Einfach nur: erschöpft. Und nein, das liegt nicht an einer kurzen Woche, einem Reise-Marathon oder an Prime-Time-Spielen, die am Ende immer später enden als geplant. Die Chiefs sind müde von Erfolg. Von Druck. Von ständigen Tiefschlägen, aus denen sie sich jahrelang wieder hochgekämpft haben.
Drei Super Bowls in Folge, jedes Jahr tiefe Playoff-Runs, jedes Mal mit der Erwartung „Mindestens AFC Championship Game, alles darunter ist Enttäuschung“. Das frisst Energie – selbst bei Mahomes, der normalerweise aussieht, als könnte er Football spielen und dabei gleichzeitig Rätselhefte lösen.
Man sah es am Donnerstag deutlich: Mahomes sitzt an der Sideline, Helm auf den Knien, der Blick irgendwo zwischen „Nicht schon wieder“ und „Was muss ich denn noch machen?“. Dieses Team wirkt wie eine Truppe Veteranen, die seit Jahren ununterbrochen an der Front steht – ohne Pause, ohne Genesung, ohne emotionalen Reset.
Seit 2018 haben die Chiefs 149 Spiele absolviert – inklusive Playoffs. Das sind 18 mehr als die meisten anderen Teams, quasi eine komplett zusätzliche Saison. Nicht irgendeine Saison – sondern eine Saison voller harter Tackles, 2-Minute-Drills, Must-Win-Spiele, in denen jeder Snap zählt und jedes Play den Puls hochjagt. Ich glaube weiterhin nicht, dass dieses Team den Hunger verloren hat.
Aber selbst die größten Champions haben einen Körper, der irgendwann sagt: „Chef, kurze Pause wäre nice.“ Und genau dort sind die Chiefs gerade: Nicht am Ende ihrer Ära – aber tief im Erschöpfungsmodus, der sich nur mit Siegen, Bye Weeks oder einem Playoff-Boost lösen lässt.
Die Offensive Line der Chiefs ist verflucht.
Ich weiß nicht, welchen Vertrag Kansas City damals unterschrieben hat, um Patrick Mahomes in die Hände zu bekommen – aber irgendwo, in irgendeinem Kellerraum der NFL-Geschichte, muss eine Klausel stehen, die besagt: „Du bekommst den besten Quarterback seiner Generation – aber dafür opferst du jedes Jahr die halbe O-Line.“
Anders ist das nicht mehr zu erklären. Trey Smith fällt am Donnerstag mit einer fiesen Knöchelverstauchung aus – und plötzlich entscheidet das Universum wohl, dass das noch nicht genug Schmerz ist. Also verlieren die Chiefs jetzt auch beide Starting Tackles. Beide. Gleichzeitig. Das ist kein Injury Report mehr – das ist ein schlechter Horrorfilm.
Bei Right Tackle Jawaan Taylor warten wir immer noch auf die genaue Diagnose seiner Trizepsverletzung. Und Rookie Left Tackle Josh Simmons? Der verließ das Stadion, als würde er in einer Low-Budget-Verfilmung einen Kriegsheimkehrer spielen: Gips, Schlinge, das ganze Paket. Pete Sweeney vom Kansas City Star hat es bestätigt – und wenn der das meldet, ist meistens schon klar, dass Kansas City sich warm anziehen muss.
Und das Timing? Chef’s kiss – auf die schlimmstmögliche Art. Denn in Woche 14 steht Houston auf dem Programm. Ja, diese Houston Texans. Die mit einem Top-3 Pass Rush, der Quarterbacks so jagt, als gäbe es Punkte für jedes weinende Offensive-Tackle-Meeting. Steve Spagnuolo kann nur hoffen, dass die Offense genug Spucke und Gaffa Tape findet, um irgendwie über die Runden zu kommen.
Die Chiefs sind zwar noch im Rennen – aber eigentlich nicht mehr ganz.
Ja, rein mathematisch ist Kansas City noch dabei. Die Playoff-Tür steht offen – allerdings nur einen Spalt weit, und jemand hat seinen Fuß dahintergeklemmt.
Um es rein praktisch zu sagen: Die Chiefs müssen ihre letzten fünf Spiele gewinnen. Nicht vier von fünf. Nicht „wenn die anderen patzen“. Alle fünf!
Und drei dieser Gegner stehen aktuell VOR ihnen im Playoff-Ranking. Das ist ungefähr so, als würdest du versuchen, dich durch eine überfüllte U-Bahn zu drängeln, während du gleichzeitig einen Kühlschrank trägst.
Jetzt, wo wir alles gesehen haben – die Verletzungen, die Müdigkeit, die Defensive, die gelegentlich Feuer fängt, und eine Offense-Line, die schon mal prophylaktisch beim Orthopäden auf Danksagungskarten steht – glaubt irgendjemand ernsthaft, dieses Team legt eine Fünf-Spiele-Siegesserie hin?
Und selbst wenn sie das schaffen: Das wäre erst Schritt 1. Schritt 2: Vier weitere Spiele gegen die besten Mannschaften der NFL gewinnen. Auswärts. Im Januar. Mit einem Team, das gerade so viel Tape braucht wie ein kompletter Staffelstab von „DIY SOS“.
Ich will nicht klingen wie der miesepetrige Typ, der in der vierten Reihe beim NFL Combine die Stoppuhr falsch hält. Aber die Playoffs zu erreichen war nie das Ziel der Chiefs. Dieses Team misst sich an Lombardi-Trophäen, nicht an Wochen-18-Szenarien. Frag dich selbst: Glaubst du wirklich, die Chiefs können die Saison mit neun Siegen in Folge beenden? So schön die Geschichte wäre – im Moment fühlt sie sich eher nach Fanfiktion an als nach Realität.
Der größere Punkt: Spagnuolos Defense funktioniert nur richtig, wenn sie einen dominanten Safety hat. Justin Reid erfüllt diese Rolle gut, Tyrann Mathieu hat sie früher meisterhaft ausgefüllt. Sie waren die Feuerwehrmänner, die die Brände löschten, während Spagnuolo seine Cornerbacks blitzen ließ wie bei einer Black-Friday-Aktion.
Am Donnerstag aber sah man, wie schnell das System zu wackeln beginnt: Chamarri Conner musste Lambs Route-Baum bewässern, Jaden Hicks kam zu spät zur Unterstützung, und plötzlich sieht jede Coverage so aus, als würde sie mit offenem Schuhband laufen. Keiner von beiden bringt die Autorität, Reichweite oder Instinktsicherheit eines Reid oder Mathieu mit.
Kurz gesagt: Kansas City braucht entweder einen Top-Safety, der die Secondary anführt – oder einen Pass Rush, der verhindert, dass die DBs ständig blitzen müssen.
Weil wenn du Spagnuolo zwingst, seine Cornerbacks zu verheizen und sie gleichzeitig gegen Elite-Receiver ohne Rettungsnetz spielen lässt, wirst du irgendwann verlässlich genau das bekommen, was am Donnerstag passiert ist: große Yards, große Plays und große Fragezeichen.

Hier geht’s zum Playoff-Simulator von The Athletic
Laut dem Playoff-Simulator von The Athletic – also dem digitalen Orakel, das uns regelmäßig füttert wie andere Leute ihren Tamagotchi – fielen die Playoff-Chancen der Chiefs nach dieser Niederlage von 61 auf rund 43 Prozent, nachdem gestrigen Spiel, wo die Bears die Eagles mit 24 zu 15 geschlagen haben.
Und die Aussicht auf den Divisionssieg? Nun ja – die liegt laut Modell nur noch bei 6 Prozent. Das ist in etwa die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Kicker seiner Offense sagt: „Geht ihr mal, ich mach’s alleine.“
Die gute Nachricht für Kansas City – ja, es gibt tatsächlich eine – ist, dass ihr Restprogramm aussieht wie eine Liste von Gegnern, die jeder Contender gerne im Dezember unter dem Weihnachtsbaum hätte. Drei Heimspiele gegen die Texans, Chargers und Broncos. Plus zwei Auswärtsspiele gegen die Titans und Raiders.
Egal wie man es dreht und wendet, die Chiefs müssen mindestes vier von den fünf Spielen gewinnen, um sicher in die Playoffs einziehen. Verlieren sie zwei Spiele, dann werden wir die Chiefs dieses Jahr nicht in den Playoffs sehen.

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